Rassismus Die Erfindung von Menschenrassen

19. Mai 2018 - 06. Jan 2019

Einführung

Projektbeteiligte

Kuratorin und Projektleitung: Susanne Wernsing

Architektur und Gestaltung: KÉRÉARCHITECTURE, Berlin www.kere-architecture.com

Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Christian Geulen (Universität Koblenz-Landau)

Projektteam: Dr. Tiphaine Cattiau, Rebekka Rinner, Volker Strähle

Filmkurator_innen: Mo Asumang, John Kantara, Barbara Lubich

 

Rassismus ist eine menschenfeindliche Ideologie und gleichzeitig eine alltägliche Praxis, durch die viele Menschen unter uns mit Diskriminierung und Gewalt konfrontiert sind. Aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Aussehens, ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer Sprache machen sie immer wieder erniedrigende Erfahrungen, die für andere Teile der Bevölkerung nur schwer vorstellbar sind. Rassismus verletzt aber nicht nur die Einzelnen, er widerspricht auch den Idealen menschlicher Gleichheit und Freiheit, die unserer demokratischen Gesellschaft zugrunde liegen.

Die neue Sonderausstellung fragt danach, welcher Zusammenhang zwischen dieser Form des Rassismus und dem Begriff der „Rasse“ selbst besteht. Dabei geht es weniger um die Geschichte dieses gefährlichen Wortes, das in unserer Gesellschaft inzwischen weitgehend geächtet ist, als um die Struktur und Wirkung dieser langlebigen Idee. Denn mit der Kategorie „Rasse“ werden nur scheinbar menschliche Unterschiedlichkeiten beschrieben, in Wahrheit dient sie dazu, politische, soziale und kulturelle Ungleichheit zu begründen.

Obwohl die Menschen überall auf der Welt ganz unterschiedlich aussehen – so etwas wie „Menschenrassen“ gibt es nicht. „Rassen“ sind eine wissenschaftliche Erfindung, die seit dem 18. Jahrhundert ihre unheilvolle Macht entfaltet hat. Die Ausstellung analysiert die Methoden, mit denen dieses Denken entwickelt wurde, und sie zeigt die Bilder und Medien, in denen sie sich verbreitet haben. Eine eigene Abteilung thematisiert die Rolle des Deutschen Hygiene-Museums als Propagandamaschine der sogenannten „Rassenhygiene“ während des Nationalsozialismus. Ein weiteres Kapitel ist der rassistischen Herrschafts- und Ausbeutungspolitik in der Epoche des Kolonialismus gewidmet, deren Folgen bis zu den Fluchtbewegungen unserer Tage nachwirken.

Neben dieser kulturhistorischen Betrachtung des „Rasse“-Begriffs, kommen in allen Abteilungen auch solche Persönlichkeiten und Bewegungen zu Wort, die sich kritisch und widerständig mit rassistischen Ideologien auseinandergesetzt haben. Zahlreiche Medienstationen, Interview-Filme und Video Installationen stellen aktuelle Themenfelder zur Diskussion: Alltagsrassismus, die Debatte um die Populationsgenetik, die Rückgabe von geraubten Kulturgütern oder die Herausforderungen einer postmigrantischen Gesellschaft.

Das Projektteam um die Kuratorin Susanne Wernsing wurde beraten von einer Arbeitsgruppe aus Expertinnen und Experten, die selbst über rassistische Erfahrungen verfügen; deren kritische Kommentare sind zu einem wichtigen Bestandteil der Ausstellung und des Katalogs geworden. Die Gestaltung der Ausstellung hat das Büro KÉRÉARCHITECTURE aus Berlin übernommen; der aus Burkina Faso stammende Architekt Diébédo Francis Kéré hat 2017 mit seinem spektakulären Pavillon für die Londoner Serpentine Galleries großes Aufsehen erregt.

Beiträge zum Nachhören

 

Ausstellungsabteilungen

Wie unterschiedlich sind wir?

Die  Aufklärung  des  18.  Jahrhunderts  war  davon  überzeugt, dass alle Menschen gleich seien. Tatsächlich aber wurden sie sehr unterschiedlich behandelt. Diesen Widerspruch versuchten  Anthropologen,  Ethnologen  oder  Biologen aufzulösen, indem  sie  sich  mit  den  offensichtlichen  Verschiedenheiten zwischen  den  Menschen  beschäftigten.  So entstanden  wissenschaftliche Ordnungssysteme, von denen viele um den Begriff  der "Rasse" kreisten. Er bezog sich nicht nur auf biologische Unterschiede, sondern behauptete auch, dass einzelne Menschengruppen höher stünden als andere und daher mehr Rechte hätten.

Wo sehen wir "Rassen"?

Wir  sehen  Unterschiede  zwischen  Menschen  und  glauben, "Rassen" zu erkennen. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde die Idee der "Rassen" vor allem in den Bildwelten von Publikationen und Ausstellungen verbreitet. Im Nationalsozialismus verbanden sich solche Darstellungen mit der Durchsetzung der Rassenpolitik. Auch das Deutsche Hygiene-Museum erreichte mit propagandistischen Ausstellungen zur "Volksgesundheit" eine große Öffentlichkeit. Im Dresdner Rathaus diffamierte bereits 1933 eine Ausstellung die Kunst der Moderne als "entartet" und 1939 unterstrich die "Deutsche Kolonialausstellung" in Dresden den Anspruch der Deutschen auf Kolonialbesitz.

Wer sind wir? Wer sind die Anderen?

Wenn wir uns vergewissern wollen, wer "wir" sind, richten wir den Blick häufig auf das, was uns fremd erscheint – auf "die Anderen". Um heute das "Abendland" zu bestimmen, sprechen wir von "Islam" oder "Orient", obwohl diese vermeintlich fremden Kulturen längst zu "uns" gehören. Dabei wirkt das Erbe des kolonialen Zeitalters nach, in dem die europäischen Großmächte die Welt unter sich aufteilten. Koloniale Gewalt und wirtschaftliche Abhängigkeiten gehören zur gemeinsamen Geschichte Europas und der einst besetzten Länder. Die Folgen treiben noch heute Menschen zur Flucht.

Wie wollen wir zusammen leben?

Heute zeichnet sich unsere Gesellschaft durch eine große kulturelle, religiöse und soziale Vielfalt aus. Viele Menschen blicken  auf  eine  Migrationsgeschichte  zurück.  Trotz  dieser  seit langem geteilten Erfahrungen ist das Phänomen des Rassismus nicht  verschwunden.  Für  die  Betroffenen  ist  Rassismus  eine bittere Realität – im Alltag, in der Schule und am Arbeitsplatz, in den Medien oder in der Politik. Und er existiert nicht zuletzt auch in unseren eigenen Köpfen. Wie kann es gelingen, solche diskriminierenden  Denkstrukturen  und  Handlungsweisen  abzubauen? Wie lassen sich Spielregeln für ein Zusammenleben entwickeln, in dem auch Konflikte fair ausgetragen werden?

Veranstaltungen

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Tacheles zum Rassismus in Sachsen (Vorschaubild zum Video)

Tacheles zum Rassismus in Sachsen

Diskussion vom 31. Mai 2018

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Rassen, Ethnien, Populationen: Gibt es eine Basis für menschliche Gruppenbildung? (Vorschaubild zum Video)

Rassen, Ethnien, Populationen

Gibt es eine Basis für menschliche Gruppenbildung? 

Gespräch vom 7. Juni 2018 

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(Erinnerungs-)Diskurse dekolonisieren - Wer spricht, wer wird gehört? (Vorschaubild zum Video)

(Erinnerungs-)Diskurse dekolonisieren

Wer spricht, wer wird gehört?

Gespräch vom 13. Juni 2018

Videomitschnitte weiterer Veranstaltungen finden Sie in unserer Mediathek.

Rundgang

Foto: David Brandt
Foto: Oliver Killig
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Pressestimmen

Die Einladung, die Dresdner Ausstellung zu sehen, gilt bis 6. Januar. Die Einladung, sich zu dem Thema mal schlau zu machen, gilt auf Dauer. Claus Kleber, ZDF "heute journal"
Die Monstrosität rassistischen Denkens wird nicht nur begreifbar, sondern mehr noch fühlbar. Menschliche Unterschiedlichkeit verschmilzt mit einer Empathie, die keine Grenzen kennt. Mehr kann man von einer Ausstellung nicht erwarten. Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung
Der Architekt Diébédo Francis Kéré hat die Räume auf eine Weise konzipiert, die den Objekten Raum lässt, aber trotzdem eine Struktur anbietet, die mit dem Gezeigten kommuniziert. Ein großes Holzregal empfängt den Besucher, es sieht schön aus im gedimmten Licht, es scheint durch den Raum zu wuchern, wächst in die Höhe, schlägt Brücken. Ein Ordnungssystem für die Exponate, das selbst Kommentar ist. Xaver von Cranach, Der Spiegel
Den Auftakt der Ausstellung machen die Vordenker des Rassismus. Sie starren einem im ersten Raum hübsch aufgereiht aus Kästen an. Kopf an Kopf halten sie den Besuchern ihre Nasen entgegen. (...) Doch nun wird der Spieß umgedreht. In Dresden wird den alten weißen Männern das Schicksal ihrer Opfer zuteil. Wie Völkerkundemuseen einst die Relikte "primitiver" Völker zeigten, liegen nur die Utensilien der Forscher im Hygiene-Museum aus. Fein säuberlich reiht das Museum all die Farbenskalen und Haarproben auf, mit denen sie ihren Wahn beweisen wollten. Statt die Rassisten vom Sockel zu holen, stellt sie die Kuratorin Susanne Wernsing ins Regal – wie die Forscher einst ihre Objekte. Das ist mehr als eine schöne ironische Spitze – es ist ein überfällige Umkehr der Verhältnisse. Manuel Müller, Neue Zürcher Zeitung
Interessant ist manchmal auch das, was in Museen bewusst nicht präsentiert wird. So hat das Dresdner Hygienemuseum dezidiert darauf verzichtet, Bilder von nackten afrikanischen Menschen zu zeigen, die – um sie zu vermessen – vor einem Rasterhintergrund fotografiert wurden. Diese Aufnahmen, findet die Kuratorin, müssten nicht noch weiter verbreitet werden. Anne Hähnig, Die ZEIT
Wie detailliert wird man, wenn man die Verbrechen schildert, die im Namen der deutschen Wissenschaft begangen wurden? Neben der Gussform eines "dinarischen Schädels", durch den das kuratorische Team die "populäre Rassenkunde der 1920er und 1930er Jahre" illustrieren will, ist die Ergänzung eingefügt: "Die Deutschen zwangen afrikanische Frauen, die Köpfe ihrer ermordeten Männer mit Glasscherben vom Fleisch zu befreien. Die Häupter ihrer Liebsten […] Für eure Wissenschaft, für eure Museen. Für eure Keller, in denen sie liegen. Bis heute." Einen solchen Zoom auf die Perspektive der Opfer gelingt in der Sprache der Historiker selten, und es ist anzunehmen, dass es genau solche Umkehrungen des Blicks sind, die geschichtliche Inhalte für junge Menschen oder von Vergangenheitsbewältigung ermüdete Ältere wieder interessant machen. Wie schauen die anderen auf unsere Vergangenheit, für die wir uns so sehr schämen? Tobias Haberkorn, ZEIT Online
Auch wenn die Schau vor allem in die Vergangenheit schaut, blickt sie dank kleiner Installationen auch in die Gegenwart. Wie bestimmend in der Vergangenheit entworfene Schönheitsideale bis heute sind, zeigt der Ausschnitt eines Youtube-Tutorials, in dem eine Asiatin erklärt, wie man sich mit speziellem Leim die Lider fest klebt, damit die Augen größer erscheinen. Auch von Rassismus Betroffene kommen zu Wort. Eine afrodeutsche Künstlerin provoziert die Besucher zur Grenzüberschreitung, die sie im Alltag immer wieder erlebt. Ihre eigenen Haare hängen in einem Kasten ohne Glasscheibe. Wer es wagt, sie anzufassen, muss damit rechnen, dass plötzlich das Licht angeht und er sich in einem Spiegel ertappt sieht. Antonie Rietzschel, Süddeutsche Zeitung Online
Es hat Hunderte Jahre gedauert, das Konstrukt des Rassismus aufzubauen, es wird Hunderte Jahre dauern, es wieder abzubauen“, sagt eine der Aktivistinnen, die Soziologin Natasha A. Kelly. Zu den besonders makabren Exponaten gehört die Büste eines „Caffernprinzen“. Johann Gottfried Schadow, bis heute für seine Quadriga auf dem Brandenburger Tor berühmt, modellierte sie 1821 nach einem Kopf, der in Madagaskar vom Leichnam eines Mannes abgetrennt worden und nach Berlin gebracht worden war. Die Ausstellungsmacher haben die Skulptur auf den Vitrinenboden gelegt, als wollten sie den Kopf nun endlich zur Ruhe betten. Christian Schröder, Der Tagesspiegel
Der erste Abschnitt der Ausstellung im Hygienemuseum (...) zeigt, mit welchem Aufwand an Verstand, Geld und Gewalt, Vorurteile erst einmal hergestellt werden müssen. Das ist eine ihrer großen Lektionen. Die Menschheit unterschied immer zwischen denen und uns. Ein Innen und Außen hat es immer gegeben. Aber Rassen sind ein Produkt des 19. Jahrhunderts. Arno Widmann, Frankfurt Rundschau / Berliner Zeitung
Der Begriff der Rasse ist nach 250 Jahren wieder dort angekommen, wo er hingehört: bei den Haustieren. (...) Die Rassentheorien sind also nicht das irrationale Gegenteil von Aufklärung und europäischer Moderne, sondern gingen aus ihr hervor. Was damit angerichtet wurde und wie die "Erfindung von Menschenrassen" (so der Ausstellungstitel) bis heute nachwirkt, zeigt nun das Hygiene-Museum in Dresden, das in früheren Zeiten mit Forschungen zur Rassenhygiene seinen Teil zu dieser Unheilsgeschichte beigetragen hat. Matthias Heine, Die Welt
So kombiniert man in Dresden klug verschiedene Menschenbilder – rassistische Raster. Und zeigt mit verschiedenen Medien auch andere, heutige Perspektiven auf. Es wird künstlerisch interveniert, politisch kommentiert, wissenschaftlich argumentiert und einfach erzählt – von denen, die Rassismus erleben und erleiden müssen. Barbara Wiegand, Deutschlandfunk Kultur
Genau betrachtet, dreht sich diese Ausstellung um eine Leerstelle. Denn Menschenrassen gibt es nicht. Doch wird seit ungefähr 250 Jahren immer wieder versucht, Eigenschaften und Qualitäten an körperliche Merkmale des Menschen zu knüpfen. Wenn das auch ohne wissenschaftlichen Erfolg geblieben ist, hat sich dennoch die Idee von menschlichen Rassen gehalten. Die daraus resultierende Abgrenzung – ein wie auch immer geartetes Wir gegen ein anders geartetes Die da – hat den Rassismus in all seinen Formen hervorgebracht und befeuert ihn ständig weiter. In unseren Tagen und in unseren Breiten so stark wie schon lange nicht mehr. Torsten Klaus, Dresdner Neueste Nachrichten
Frauen und Männer afrikanischer, türkischer und vietnamesischer Herkunft berichten in Videos von ihren Erfahrungen, verschlossenen Karrierewegen und offener Gewalt. (...) Womöglich kommt von diesen Videoschirmen die Einsicht, wie viel Rassismus man als überkommene Ordnung selbst in sich trägt, weil es so einfach ist, das gewohnte Denken beizubehalten. Hierzu ist in der Ausstellung jede und jeder gefordert, eine Haltung zu gewinnen. Uwe Salzbrenner, Sächsische Zeitung

Förderer

Gefördert durch den Freistaat Sachsen im Rahmen des Landesprogramms Integrative Maßnahmen.

Die Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushalts.

Gefördert durch das lokale Handlungsprogramm für ein vielfältiges und weltoffenes Dresden

 

Gefördert vom

im Rahmen des Bundesprogramms

sowie vom Freistaat Sachsen

Partner

Medienpartner

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