Vor einer Leinwand, auf die das Bild einer Frau mit Maske projiziert wird, ein Tänzer und eine Tänzerin.

Tanz! Wie wir uns und die Welt bewegen

18. Okt 2013 - 20. Jul 2014

Einführung

Menschen tanzen – weltweit und zu allen Zeiten! Wir tun es in unendlichen Spielarten, aus den unterschiedlichsten Anlässen und quer durch die Kulturen. Im Tanz kommt zum Ausdruck, was uns seit jeher bewegt: Lebensfreude oder Lebensqual, hemmungslose Ekstase oder gezügelte Disziplin. Tanz ist nicht nur Freizeitvergnügen oder Kunstform. Denn in ihm spiegeln sich immer auch die gesellschaftlichen Bedingungen, in denen er entsteht – und auf die er selbst zurückwirkt. Ob Wiener Walzer oder Rock ’n’ Roll, ob Breakdance oder Punk – in ihrer Entstehungszeit brachten neuartige Bewegungsformen häufig die Verhältnisse zum Tanzen. Neue Tanzstile experimentieren mit gesellschaftlichen Rollenbildern oder verschieben die Beziehungen der Geschlechter und Generationen zueinander. Dabei stellen sie überkommene Traditionen infrage und verstoßen gegen Konventionen. Oft transportiert der Tanz auch die Faszination für das Exotische, und Tanzformen beeinflussen unsere Vorstellungen von regionalen Traditionen; andere Tänze wurden geradezu erfunden, um mit ihnen kulturelle Eigenarten und nationale Identitäten begründen zu können. Der Tanz bringt auch die Ordnungsmuster einer Gesellschaft zum Vorschein. Das gilt für das Ballett am Hof Ludwig XIV. ebenso wie für die Revue-Girls der Zwanzigerjahre – aber auch für zeitgenössische Tanzformen wie Hip-Hop oder Massenchoreografien, die als Flashmob inszeniert werden. Im Tanz werden Fantasien, Spielregeln und Machtverhältnisse in Bewegungen übertragen, die auch in den übrigen Bereichen der Gesellschaft ihre Spuren hinterlassen. Um die Dynamik und Dramatik des Tanzes erfahrbar zu machen, nutzt die Ausstellung das Wissen vieler Disziplinen. In dieser Ausstellung lud das Deutsche Hygiene-Museum seine Besucher*innen dazu ein, sich durch einen Parcours des Tanzes zu bewegen, um ein tieferes Verständnis für den tanzenden Menschen und für den Menschen als Tänzer zu entwickeln. Zu Erleben war ein Nebeneinander von klassischen Exponaten und interaktiven Installationen, von Filmen, Kunstwerken und multimedialen Stationen, die sich sowohl an den Kopf als auch an die Beine richten. 

Abteilungen

1. ARCHIVE. ENZYKLOPÄDIEN DER BEWEGUNG

Tanz vollzieht sich in Raum und Zeit. Zwar ist der sinnlich erlebte Moment der Bewegung unwiederbringlich. Doch Elemente des Tanzes können in unterschiedliche Medien übertragen und festgehalten werden. Als bewusste oder unbewusste Erinnerung finden sie Niederschlag in unserem Gedächtnis: im eigenen Körper- oder im Kollektivgedächtnis, in Bildern, aufgeschrieben in Notationen oder auf Film gespeichert. Der Begriff "Archive" ist in dieser Abteilung metaphorisch zu verstehen, er beschreibt Orte, Objekte und Erinnerungen, die Spuren des Tanzes bewahren. Die ausgewählten enzyklopädischen Begriffe "Inspiration", "Weitergabe" und "Verehrung" formulieren hier beispielhaft die Beweggründe des Menschen, Tanz festhalten zu wollen. Anhand eines Leitobjekts zeichnet der jeweilige Themenstrang exemplarisch die kunst- und kulturgeschichtlichen Spuren bis in die Gegenwart nach. Es zeigt sich, dass diese Objekte nicht nur Quellen sind, die Auskunft über das Tanzerbe selbst geben, sondern auch neue künstlerische Kreativität ermöglichen können.

2. GRENZVERSCHIEBUNGEN. SICH WANDELNDE KÖPERBILDER

Der Körper ist das wichtigste Instrument einer Tänzerin und eines Tänzers. In keiner anderen Kunstform verbindet sich die Wahrnehmung des Werkes so unmittelbar mit seinem Erschaffenden. Der Körper unterliegt historischen und sozialen Prägungen. Auch unser Blick auf ihn ist bestimmt durch gesellschaftliche, kulturelle und mediale Einflüsse. Sie färben unsere Wahrnehmung und unsere Urteile über schön und hässlich, anständig und unanständig, männlich und weiblich.

Diese Abteilung stellte Künstlerinnen und Künstler vor, die in ihren Choreografien und Bühnenshows alltägliche Sehgewohnheiten hinterfragen. In dem sie versuchen neue Sichtweisen auf den Körper zu richten, vorgeschriebene Rollen ins Wanken zu bringen und neue Grenzen auszuloten. Fotografien und Filmmaterialien zeigten verschiedene Körperinszenierungen und deren mediale Vermittlung. Mit dem Fokus auf Geschlecht, Hautfarbe und soziale Zugehörigkeit ließ sich erkennen, wie diese Themen und Kategorien zu bestimmten Zeitpunkten gesellschaftlich verhandelt wurden und werden. Es zeigt sich aber auch, welche Aspekte eher unsichtbar bleiben sollen. Denn jeder Akt des Sichtbarmachens verändert und bewegt die verschwiegenen gesellschaftlichen Grenzen und das Verständnis dessen, was wir "Normalität" nennen.


3. ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE. RAUSCH UND RITUAL

Diese Abteilung zeigte vielfältige Perspektiven im Umgang mit Tanz: vom faszinierten, kolonialen Blick auf Trancetänze der Anderen, über westliche, künstlerische Aneignungsformen indigener Tanztraditionen bis hin zu europäischen, christlichen Ritualen und ekstatischen Erlebnissen in der Popkultur. Im Umgang mit der nicht-alltäglichen, spirituellen Welt spielt Tanz als non-verbales, flüchtiges Medium eine zentrale Rolle. Der besondere Umgang mit dem Körper (z.B. Atemtechnik der Sufi), Rhythmen, Zeit, Ort und die Einstellung der Teilnehmenden an einer Inszenierung sind dafür entscheidend, ob eine Trance beabsichtigt ist und auch eintritt. "Die Götter reiten die Tanzenden, wie ein Reiter sein Pferd". Diese haitianische Beschreibung der Gegenwart von Gottheiten im Ritual, weist Tänze als eine Brücke zur nicht-sichtbaren, transzendenten Welt aus. Interpretationen von Tanzereignissen haben sich in den letzten 100 Jahren stark gewandelt. Beeinflusst vom evolutionistischen Denken des 19. Jh. galten Tänze der Anderen (sog. Naturvölker) zunächst als Vorstufen zu denen der viktorianischen Gesellschaft Europas. Ethnologische Untersuchungen waren lange vom westlich-kolonialen Blick geprägt. Tänze wurden vor allem als Phänomene magischer Handlungen bis in die 1960er Jahre nur oberflächlich dokumentiert. Erst die Entwicklung einer Tanzethnologie gab der internationalen Tanzforschung einen wissenschaftlichen Rahmen. Das gesammelte ethnografische Material inspirierte auch Tänzer und Choreografen, wobei oft eine kreative Vermischung von wissenschaftlichem Interesse und subjektiv-künstlerischer Auseinandersetzung entstand. Die Gegenüberstellung von (historischen) Exponaten traditioneller Trancetänze (Voodoo, Schamanismus, Derwische) mit Modernem Ausdruckstanz im 20. Jh., Fastnachtsbräuchen und Ritualen der Popkultur soll eine strukturelle Vergleichbarkeit ekstatischer Ereignisse aufzeigen.

4. KLUB. SPAß-REBELLION-KOMMERZ

Schnell, schwungvoll oder explosiv, Tanz befreit, provoziert und wird zur Mode. Mit den neuen Rhythmen ihrer Zeit bricht eine Generation nach der anderen aus den herrschenden sozialen Konventionen aus. Tänze verschieben die Ordnung von Geschlecht, Hautfarbe und Klasse, sie geben neue Impulse für die Kunst und für das Experimentieren mit der eigenen Identität. Durch ihre Popularisierung beeinflussen Tänze die Welt der Werbung und des Konsums und können dabei auch, wenn nicht den Spaß an ihnen, so ihre rebellische Energie einbüßen. Das Ausstellungskapitel verfolgte die Metamorphosen von Tanzformen, die als körperliches Erleben von Freiheit und Selbstbestimmung verstanden werden. Dies bringt eine Fülle von Bewegungsformen hervor: Rotieren und Schütteln, Springen und Rempeln, Stoppen und Bouncen. Drei Kunstwerke und vier Videoprojektionen spürten dem Lebensgefühl und der Ansteckungskraft dieser Bewegungen nach. Tanz verbindet hier Hoch- und Populärkultur und zeigt sich in seiner medialen Vielfalt. Als Youtube-Video, fiktionaler oder dokumentarischer Film, als Fotografie oder Zeichnung zirkulieren Bewegungen auf globaler Ebene und werden so zum ständigen Motor des Wandels im Tanz.

5. HEIMATEXOTIK. ÜBER GRENZEN

 Wir verbinden Tanz oft mit der Sehnsucht nach fernen Ländern, nach mitreißenden Erlebnissen, Leidenschaftlichkeit und Gemeinschaftsgefühl. Tänze können eine Aura des Exotischen gewinnen und unsere Vorstellungen von Ursprünglichkeit bestätigen. So knüpfen sie an Stereotypen von bestimmten Temperamenten oder nationalen Identitäten an. Die tatsächliche Herkunft der Tänze ist aber oft weniger eindeutig, als auf den ersten Blick erkennbar. Tanz ist sowohl lokal geprägte Bewegungskultur als auch das Ergebnis kultureller Begegnung und Vermischung. In Zeiten politischer Neubestimmung wurde dem Tanz oft – wie auch anderen kulturellen Praktiken – eine identitätsstiftende Rolle im nationalen Sinne zugewiesen. Damit sollten kollektive Identitäten erfunden, geschützt, Tanzkulturen vor dem Verschwinden bewahrt, im schlimmsten Falle gelöscht, aber auch lebendig gehalten werden. Dies beflügelte zum einen die Tanzentwicklung, kann aber auch dazu führen, dass kulturelle Unterschiede verabsolutiert und als Grenzen fixiert werden. Der Ausstellungsbereich beleuchtete diese zugleich einende und trennende Funktion des Tanzes und nimmt seine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Dimension in fünf Ländern genauer in den Blick.

6. SYSTEM. SPIEGELBILDER DER GESELLSCHAFT

Tanzformationen können uns viel darüber erzählen, wie wir als Menschen in der Gesellschaft zueinander stehen und welche Werte für uns wichtig sind. Wie koordiniert sich der einzelne Mensch und wie synchronisieren sich Gruppen?

Ausgehend vom "Big Dance", dem spektakulären Tanzereignis zur Eröffnung der Olympischen Spiele von 2012, verfolgte der als filmischer Essay konzipierte Raum, welche – manchmal unausgesprochenen – Spielregeln und Machtverhältnisse gesellschaftlichen Ordnungen zugrunde liegen. Er warf einen Blick auf die Organisationsprinzipien und Ideale, die in der westlich geprägten Kultur eine entscheidende Rolle spielen. Die Modelle dafür könnten nicht unterschiedlicher sein: So verkörpern beispielsweise die Ballette am Hof des Sonnenkönigs Ludwigs XIV. die göttlich legitimierte Ordnung eines feudalen Herrschers. Prinzipien der Selbstorganisation aus der Wissenschaft regten hingegen im Modern Dance im 20. Jahrhundert zu neuen Gesellschaftsentwürfen und Tanzexperimenten an. Trotz aller Unterschiedlichkeiten geht es in all diesen Entwürfen immer darum, das Verhältnis von Freiheit und Anpassung auszubalancieren – bewusst oder unbewusst.

 

Rundgang

In einem Raum mit schwarzen Fußboden sieben silberne Bälle, die die Größe eines Menschen haben. Zwischen den Bällen ein Tänzer und eine Tänzerin.
Ein dunkler Ausstellungsraum. In der Mitte ein weißer Tisch. Auf dem Tisch stehen sechs Exponate unter gläsernen Würfeln. Vier Meter hinter dem Tisch eine dunkelgraue Wand mit vier Gemälden.
Auf einer weißen Sitzbank tanzen eine Tänzerin und ein Tänzer. Hinter ihnen eine weiße Bodrüre mit Monitoren.
Ein zweigeteilter Raum. Auf der linken Seite, hinter einer Trennwand, eine Leinwand auf der ein Film läuft. In dem Film trägt ein Mann ein 3D-Trapez in seinen Händen. In der rechteb Raumhhälfte ein lebensgroßes Kostüm mit bunten Federn in einer gläsernen Vitrine.
An einer grauen Wand drei lebensgroße schwarz-weiß Bilder. Auf den Bildern jeweils ein Mann in Tanz-Posen. Er trägt einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd.
Blick in einen Raum mit drei Vitrinen unter welchen Exponate stehen. Die Vitrinen sind kreisförmig angeordnet, in der Mitte 7 Monitore auf denen Filmsequenzen eingespielt sind.
Eine Frau und ein Mann stehen auf einer weißen, abgegrenzten Fläche, auf die ein Zahnrad projiziert wird.
Zwei Vitirnen in denen jeweils ein Kostüm steht. In der linken Vitrine ein Kostüm für ein Kind in hellem grün mit goldenen und weißen Stickerein. In der rechten Vitrine ein braunes Kostüm für einen Erwachsenen in Samt-Optik.
Ein dunkler Raum. Von oben fällt ein Lichtstrahl, der so breit wie eine Handfläche ist, in den Raum. In der Mitte eine Tänzerin und ein Tänzer, die sich an der Hand halten.
In einem Raum mit schwarzen Fußboden sieben silberne Bälle, die die Größe eines Menschen haben. Zwischen den Bällen ein Tänzer und eine Tänzerin.
Ein dunkler Ausstellungsraum. In der Mitte ein weißer Tisch. Auf dem Tisch stehen sechs Exponate unter gläsernen Würfeln. Vier Meter hinter dem Tisch eine dunkelgraue Wand mit vier Gemälden.
Auf einer weißen Sitzbank tanzen eine Tänzerin und ein Tänzer. Hinter ihnen eine weiße Bodrüre mit Monitoren.
Ein zweigeteilter Raum. Auf der linken Seite, hinter einer Trennwand, eine Leinwand auf der ein Film läuft. In dem Film trägt ein Mann ein 3D-Trapez in seinen Händen. In der rechteb Raumhhälfte ein lebensgroßes Kostüm mit bunten Federn in einer gläsernen Vitrine.
An einer grauen Wand drei lebensgroße schwarz-weiß Bilder. Auf den Bildern jeweils ein Mann in Tanz-Posen. Er trägt einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd.
Blick in einen Raum mit drei Vitrinen unter welchen Exponate stehen. Die Vitrinen sind kreisförmig angeordnet, in der Mitte 7 Monitore auf denen Filmsequenzen eingespielt sind.
Eine Frau und ein Mann stehen auf einer weißen, abgegrenzten Fläche, auf die ein Zahnrad projiziert wird.
Zwei Vitirnen in denen jeweils ein Kostüm steht. In der linken Vitrine ein Kostüm für ein Kind in hellem grün mit goldenen und weißen Stickerein. In der rechten Vitrine ein braunes Kostüm für einen Erwachsenen in Samt-Optik.
Ein dunkler Raum. Von oben fällt ein Lichtstrahl, der so breit wie eine Handfläche ist, in den Raum. In der Mitte eine Tänzerin und ein Tänzer, die sich an der Hand halten.

Förderer