Blicke! Körper! Sensationen! Ein anatomisches Wachskabinett und die Kunst

11. Okt 2014 - 19. Apr 2015

Einführung

Bilder des Körpers sind in der Öffentlichkeit allgegenwärtig. Der Körper ist heute Schauplatz individueller und gesellschaftlicher Fantasien und Erwartungen: Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Schönheit stehen ganz oben auf der Werteskala der Menschen. Gleichzeitig scheint die tatsächliche Anwesenheit des Körpers im Internetzeitalter an Bedeutung zu verlieren: Nicht nur bei der Kommunikation, auch auf dem Gebiet von Sexualität und Erotikist die Entkörperlichung weit vorangeschritten. Was also erzählt uns der Körper über uns selbst und über unsere Vorstellungen vom Leben? Wie verhalten sich Intimität und Distanz, Scham und Neugier zueinander? Die Ausstellung Blicke! Körper! Sensationen!  fragt, was in uns vorgeht, wenn wir Darstellungen von menschlichen Körpern betrachten. Wo überschreitet das Interesse am Körper die Grenze zum Voyeurismus ? Können wir unterscheiden zwischen einem ästhetischen Blick auf Werke der Kunst und einem neutralen Erkenntnisinteresse bei der Betrachtung wissenschaftlicher Abbildungen? Kann es eine unschuldige Schaulust überhaupt geben? Welche Menschenbilder und Selbsteinschätzungen, welche Empfindungen und Tabus kommen dabei ins Spiel? Im Zentrum steht ein um 1900 überwiegend in Dresden entstandenes anatomisches Wachskabinett, das noch bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts auf Jahrmärkten gezeigt wurde. Solche Ausstellungen standen im Dienst der Gesundheitsaufklärung, bedienten aber auch die Sensationslust eines breiten Publikums. Dieser Bestand „Sammlung Anatomisches Panoptikum“ des Deutschen Hygiene-Museums ist eine großartige kunsthandwerkliche Leistung. Gleichzeitig stellt er auch ein wertvolles kulturhistorisches Dokument dar, das sich als Spiegel der damaligen Körper-, Gesellschafts- und Moralvorstellungen interpretieren lässt. Um Zusammenhänge und Parallelen zu aktuellen Debatten über den Körper zu verdeutlichen, konfrontiert Blicke! Körper! Sensationen! diese historischen Objekte mit Arbeiten moderner und zeitgenössischer Künstler_innen. Dabei handelt es um teils vertraute, aber auch irritierende und verstörende  Bildwelten. Sie ermöglichen den Besucher_innen unmittelbare emotionale Erfahrungen und Assoziationen, die auf vielfältige Weise mit den Themen des anatomischen Wachskabinetts verknüpft sind.

Abteilungen

Körper

Wie betrachten wir den Körper? Welche Empfindungen löst dieses Sehen aus? Wie verhalte ich mich zu meinem eigenen Körper? Was ist Wissenschaft, was Kunst – was zeigt ein Museum?

White Cube

In den künstlerischen Arbeiten geht es um die Grenzen des diagnostischen Blicks im Hinblick auf Individualität und Norm, um den Körper unter Druck gesellschaftlicher, kultureller und politischer Anforderungen sowie um den Körper als Austragungsort von Debatten, die das Verhältnis von Individuum und Kollektiv ausdeuten.

Wunderkammer

Streiflichter auf die Vorgeschichte der Wachskabinette verdeutlichen die enge Verbindung von Wissenschaft und Kunst, die sich in der Geschichte der Anatomie und ihrer Popularisierung schon seit der Renaissance beobachten lässt.

Das Dresdner Wachskabinett

Das Dresdner Wachskabinett behandelte die Bereiche Geburt und Sexualität, Erkrankungen der Haut oder der Augen, aber auch Themen wie Arbeitsunfälle oder Kriegsverletzungen. Die Besucher können hier in eine „Audio-Kulisse“ eintauchen, in der sie Dialogszenen in das Zeitkolorit eines historischen Jahrmarkts versetzen.

Surrealer Raum

In den 1920er Jahren waren insbesondere surrealistische Künstler vom Phänomen des Panoptikums fasziniert. Sie thematisierten den Körper zwischen Schrecken und Schönheit und schufen durch ihre Realitätsverschiebungen und ihre assoziative Kombinatorik eine kreativ-künstlerische Befreiung, die bis heute in die bildende Kunst hineinwirkt.

Rundgang

Paul McCarthy, That Girl (T. G. Asleep), 2012–2013, Courtesy the artist and Hauser & Wirth
Alexandra Bircken, Aprilia, 2013; Foto: David Brandt
Bruce Naumann, Untitled (Four Small Animals), 1989; Foto: David Brandt
Steve McQueen, Charlotte, 2004, Endlosprojektion; Foto: David Brandt
Paul McCarthy, That Girl (T. G. Asleep), 2012–2013, Courtesy the artist and Hauser & Wirth
Alexandra Bircken, Aprilia, 2013; Foto: David Brandt
Bruce Naumann, Untitled (Four Small Animals), 1989; Foto: David Brandt
Steve McQueen, Charlotte, 2004, Endlosprojektion; Foto: David Brandt

Förderer