Unmittelbar vor dem Eingang zur Ausstellung "VEB Museum" können Sie bis Oktober 2024 miterleben, wie Teile eines übermalten Werks von Gerhard Richter freigelegt werden: 1956 hat der heute weltberühmte Maler hier das Wandgemälde Lebensfreude geschaffen. Dabei handelt es sich um Richters Diplomarbeit, mit der er sein Studium an der Hochschule für Bildende Künste Dresden abgeschlossen hat.
DetailsÜber die Ausstellung
Einführung
Die Ausstellung VEB Museum lädt Sie zu einer Zeitreise ein, auf der Sie die Gesellschaft und Arbeitswelten des sozialistischen deutschen Staates aus einer besonderen Perspektive erleben können. Auch wenn das Deutsche Hygiene-Museum in der DDR im rechtlich-organisatorischen Sinne kein „Volkseigener Betrieb“ war, eignet es sich doch als Beispiel für eine solche Rückschau. Denn das Museum, das dem Ministerium für Gesundheitswesen der DDR unterstand, war damals viel mehr als ein klassisches Ausstellungshaus. Einerseits bestand es aus dem staatlich gelenkten Institut für Gesundheitserziehung und diente in Dresden gleichzeitig als ein äußerst populärer Veranstaltungsort. Andererseits war es mit dem Institut für biologisch-anatomische Unterrichtsmittel auch ein international aufgestellter Produktionsbetrieb, in dem rund 300 Werktätige arbeiteten.
Begeben Sie sich also in diesem Mikrokosmos der DDR auf eine etwas andere Werksbesichtigung, in der es jedoch nicht allein um die Geschichte des Museums gehen wird. Denn die von einer Filmausstatterin und einem Bühnenbildner inszenierte Ausstellung wirft vor allem einen Blick hinter die Kulissen der DDR-Gesellschaft. Es geht dabei um die zentrale Rolle der Arbeitswelt für die Menschen und gleichzeitig um die Machtansprüche der SED, um die zunehmende Umweltverschmutzung in den 1980er-Jahren und den Protest dagegen, um die Freizeitangebote in den Wirtschaftsbetrieben, aber auch um den offiziellen und systemkritischen Kulturbetrieb. Mit anderen Worten: Um eine verschwundene Realität, die sich im Rückblick als herausfordernd, widersprüchlich und überraschend vielfältig erweist.
Diese Alltags- und Diktaturerfahrungen in der DDR stehen heute wieder im Mittelpunkt vieler gesellschaftlicher Debatten. Für alle Interessierten aus Ost und West bietet die Ausstellung Anlässe für ein generationsübergreifendes Gespräch über das Leben im „real existierenden Sozialismus“ und über den Systemwechsel nach 1989. Zahlreiche Video-Interviews mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen innerhalb und außerhalb des Museums vermitteln individuelle Sichtweisen auf dieses wichtige Kapitel der deutschen Museums- und Zeitgeschichte.
Galerie
Fotos: Katja Klose-Soltau / Anja Schneider
Werke: Bild 2 vorn, 3 vorn, 4 Mitte, 6 hinten: © VG Bild-Kunst, Bonn 2023; Bild 3 hinten: © Matthias Griebel
Gerhard Richters Diplomarbeit wird teilweise freigelegt
Zeitzeug:innen in der Ausstellung
In der Ausstellung kommen ehemalige und aktuelle Mitarbeitende des Museums aus den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern zu Wort und schildern ihre Erinnerungen an die DDR-Zeit und die Transformationsphase in den frühen 1990er Jahren. Darüber hinaus haben wir auch Video-Interviews mit Dresnder:innen aus mirgrantischen Communities und Kulturschaffenden geführt, die über ihre Erfahrungen und Aktivitäten in der späten DDR berichten.
Einen kleinen Einblick in die Begebenheiten, Eindrücke und Anekdoten, an die sich unsere Protagonist:innen besonders erinnern, erhalten Sie hier:
Ausstellungskapitel
I. Netzwerke
Die Wanderausstellungen und Lehrmittel des Deutschen Hygiene-Museums wurden weltweit vertrieben und erwirtschafteten für die DDR Devisen in erheblicher Größenordnung. Die umfangreiche Produktpalette, die Besuche von Delegationen aus aller Welt und die Aktivitäten der „Reisekader“ des Museums werden vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Außenpolitik der DDR behandelt. Mit einem Exkurs über die internationalen Beschäftigten am Museum, Vertragsarbeiter:innen in Dresden und Studierende aus befreundeten Ländern werden ostdeutsche Migrationsgeschichten sichtbar, die bis in die Gegenwart reichen.
II. Macht
Die Leitungsstrukturen waren von den politischen Machtkonstellationen in der DDR geprägt. Wie groß war der Einfluss der SED? Welche Schnittstellen gab es zwischen dem Museum und dem Ministerium für Staatssicherheit? Wo verliefen Grenzen und welche Freiräume konnten genutzt werden? Am Beispiel der Umweltverschmutzung wird gezeigt, wie das DHMD Themen aus politischen Gründen fallen ließ, die dann außerhalb des Museums mit zivilgesellschaftlichem Engagement behandelt wurden. Schließlich wird auch die Improvisations- und Reparaturkultur in der DDR in den Blick genommen, mit der angesichts der verbreiteten Materialknappheit nicht nur der Betrieb des DHMD am Laufen gehalten werden konnte. Die Belegschaften verfügten durch solche Kompetenzen über eine erhebliche Machtposition jenseits des offiziellen Hierarchiegefüges.
III. Produktion
In dieser Abteilung werden die Produktionsbedingungen und Arbeitsabläufe in den Werkstätten und Ateliers des Museums für das Publikum lebendig. Mit welchen Ressourcen wurden hier welche Produkte entwickelt und seriell hergestellt? Was prägte die sozialistische Arbeitskultur? Welchen gesellschaftlichen Stellenwert hatte die Qualität der Produkte? Die Ausstellung erläutert Prozesse, Materialien und Wissen der verschiedenen Gewerke und stellt einige der damaligen Beschäftigten vor.
IV. Klubhaus
Größere Produktionsbetriebe der DDR verfügten über ein eigenes Veranstaltungshaus für ihre Belegschaft, deren Familien und andere Interessierte. Auch das damalige DHMD kann als ein solches „Klubhaus“ verstanden werden: In seinen Räumlichkeiten wur-den nicht nur staatstragende Veranstaltungen abgehalten oder Gesundheitsaufklärungskampagnen vorgestellt, hier fanden auch unterschiedlichste kulturelle und gesellige Unternehmungen statt wie Schreibzirkel, Singeclubs oder Faschingsfeiern. Über diese Aktivitäten innerhalb des DHMD hinaus wird die offizielle, aber auch eigensinnige Klubkultur der DDR vorgestellt. Beispielhaft erinnert die Ausstellung an einige der prägenden Kulturereignisse im Dresden der 1980er Jahre.
EPILOG
Die Folgen der Wiedervereinigung schnitten auch tief in die Lebensläufe vieler Beschäftigten des DHMD ein. Mit der Auflösung der Produktion und Schließung verschiedener Abteilungen stand kurzzeitig sogar das Weiterbestehen des Museums in Frage. In der Zusammenarbeit erfahrener und neuer Mitarbeiter:innen konnte der Ausstellungsbereich neu ausgerichtet und die Grundlage für die erfolgrei-che weitere Entwicklung des Hauses gelegt werden.
Objekte (Auswahl)
Filme (Auswahl)
Begleitprogramm
Für Schulen
Führungen & mehr
Nächste öffentliche Führungen
Exkursionen
28. September | Samstag | 10:30 bis 18 Uhr >> Jetzt anmelden
15 bzw. 10 Euro (inkl. Lunch-Paket)
Hoyerswerda: DDR-Utopie und ihr Erbe. Ein Ausflug mit Reiseleitung, Stadtrundgang und Ortsgesprächen
Im Rahmen des Outreach-Projekts „DHMD unterwegs“
Bustour mit künstlerischen Interventionen der Leipziger Künstlerin Diana Wesser zum Thema DDR-Architektur und Stadtplanung mit anschließender Stadtführung mit der Architektin Dorit Baumeister und kurzen Treffen mit Vertreter:innen der Stadtgesellschaft.
Pressestimmen
Projektbeteiligte
Schirmherrschaft
Carsten Schneider,
Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland
Kuratorinnen
Sandra Mühlenberend
Susanne Wernsing
Projektteam
Rebekka Rinner, kuratorisch-wissenschaftliche Projektassistenz
Si Cao, Beauftragte 360° - Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft
Thi Nga Nguyen, Werkstudentin
Friederike Kantzenbach, Praktikantin
Ausstellungsgestaltung
Susanne Hopf, Szenenbildnerin
Mathis Neidhardt, Bühnenbildner
Installation Machtraum
Michael Birn, Bildender Künstler und Szenograf
Künstlerische Arbeiten u.a. von:
Andreas Borchert, Mahmoud Dabdoub, Ingrid Griebel-Zietlow, Harald Hauswald, Thomas Heise, Martin Hoffmann, Eva Schulze-Knabe, Künstlergruppe Erfurt, Simon Menner, Willi Neubert, Alexander Neumann, Yael Reuveny, Andreas Rost, Ilse Ruppert, Annette Schröter, Maria Sewcz, Willi Sitte, Hartmut Staake, Jenny Wiegmann-Mucchi, Jürgen Wittdorf