Die sieben Themenräume

Der Gläserne Mensch

BILDER DES MENSCHEN IN DEN MODERNEN WISSENSCHAFTEN

Der erste Raum vermittelt zunächst eine knappe Übersicht über die Geschichte des Deutschen Hygiene-Museums: Von seiner Gründung 1912 durch den Odolfabrikanten Karl August Linger über seine prägende Rolle in der Weimarer Republik und als Propagandaeinrichtung der nationalsozialistischen "Rassehygiene" bis hin zu seinem Wiederaufbau nach 1945, seiner Funktion in der DDR und der Neupositionierung als "Museum vom Menschen" nach 1990.

Danach führt die Abteilung in das Generalthema der Dauerausstellung ein: Mensch - Körper - Gesundheit. Er beschäftigt sich mit Techniken und Methoden der Wissenschaften, den menschlichen Körper zu vermessen und zu analysieren. Dieser Prozess wird zum einen anhand von wissenschaftlichen Instrumenten veranschaulicht, darunter ein historischer Röntgenapparat, wertvolle Mikroskope oder ein sogenannter "Anthropometer", wie es der Arzt und Forscher Rudolf Virchow entwickelt hat; zum anderen lernen Sie die Resultaten dieser Forschung kennen, die bis heute unseren Blick auf den menschlichen Körper mit prägen: Originalpräparate von Organen und Körperteilen, Modelle aus Wachs und Gips oder anatomische Figuren aus Papier-Maché und Holz.

Die Idee eines perfekten Körpers wurde noch bis in die 1920er Jahre von antiken Vorbildern bestimmt. Eine der damals populären Jünglingsfiguren inspirierte auch die Körperhaltung des Gläsernen Menschen (1930), der zu einer Symbolfigur des Deutschen Hygiene-Museums geworden ist. Diese anatomische Figur steht mit ihrer vollständigen Transparenz zum einen für den Wahrheitsanspruch einer noch nicht in Frage gestell­ten Natur­wissenschaft , zum anderen über­höht sie diese Form der Rationalität mit der Geste des quasireligiösen "Lichtgebetes", die sich zeitgleich auch in der Lebens­reformbewegung findet.

Parallel zu dieser allgemeinverständlichen wissenschaftsgeschichtlichen Einordnung der Exponate können Sie an verschiedenen interaktiven Lernstationen auch die modernen bildgebenden Verfahren wie CT oder Ultraschall und ihre diagnostische Möglichkeiten kennen lernen.

LEBEN UND STERBEN

VON DER ERSTEN ZELLE BIS ZUM TOD DES MENSCHEN

In der ersten Abteilung Das Leben beginnt geht es um die biologischen Vorgänge, die nach der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle einsetzen. Außerdem verdeutlicht sie, wie die in den Medien popularisierten Bilder des Embryos massiv die Diskussion darüber beeinflusst hat, wann das menschliche Leben beginnt.

Ethische Fragen, die sich aufgrund der Fortschritte der Zellforschung stellen, stehen im Mittelpunkt der Abteilung Bausteine des Lebens. Welche Formen der künstlichen Befruchtung und der vorgeburtlichen Diagnostik gibt es heute? Was bedeutet es, dass wir in Zukunft womöglich aus einzelnen Zellen funktionstüchtige Organe züchten können?

Leben mit Krankheit - den medizinischen Fortschritten der letzten Jahrzehnte zum Trotz gehört das Kranksein nach wie vor zum Leben dazu. Welche Krankheiten sind es, die die Medizin heute erkennen und heilen kann? Ist ein gutes Leben auch für einen kranken Menschen möglich? Und: Wie ist es um unsere Eigenverantwortung bestellt?

Die verbesserten Lebensbedingungen haben die Lebenserwartung in unserer Gesellschaft stark erhöht. In der Abteilung Länger leben wird gezeigt, dass sich unsere Vorstellungen vom Alter und unsere Einschätzung, ob wir uns selbst als „alt“ empfinden, radikal verschoben haben. Denn älter zu werden bedeutet heute für die meisten Menschen eine große Chance, das Leben länger individuell gestalten zu können, als das in früheren Zeiten möglich war.

Der Wunsch, nicht sterben zu müssen, ist so alt wie die Menschheit selbst – doch wir leben in dem Wissen, dass der Tod am Ende eines jeden Lebens steht. In der letzten Abteilung Das Leben endet geht es um das Abschiednehmen, um ein würdevolles Sterben als Teil des Lebens und um die Erinnerung an die Toten. Sie verweist darauf, dass die Auseinandersetzung mit Sterben und Tod immer auch als eine Erinnerung an das gelebte Leben zu verstehen ist.

Essen und Trinken

Ernährung als Körperfunktion und Kulturleistung

Auf dem Gebiet der Ernährung hat sich in den letzten Jahren Vieles verändert hat. Ambitionierte Restaurants finden heute ebenso ihre Kundschaft wie sündhaft teure Küchenausstatter; ganze Bibliotheken von Kochbüchern und eine erstaunliche Experimentierfreude haben inzwischen in deutschen Küchen Einzug gehalten. Mit anderen Worten: Die Ernährung ist in fast allen Generationen und Gesellschaftsschichten zu einem wichtigen Bestandteil des individuellen Life-Styles geworden.

Neben beliebten "Klassikern" wie der DDR-Goldbroiler-Neonreklame vom Dresdner Schillerplatz oder der Gläsernen Kuh können Sie in dieser Abteilung zahlreiche Inszenierungen erkunden: einen interaktiven Supermarkt mit überraschenden Hintergrundinformationen, ein Aroma-Memory zur Schulung des Geruchs- und Geschmackssinns oder eine Tafel mit Geschirr und Besteck von der Antike bis zur Gegenwart und viele weitere Attraktionen.

Nahrungsmittel versorgen den Organismus nicht nur mit Energie und erhalten ihn gesund. Über diese biologische Notwendigkeit hinaus haben das kultivierte Essen und Trinken eine weitere, nicht weniger wichtige Bedeutung: Sie stellen eine große zivilisatorische Leistung dar, die mit der Zubereitung und dem Konsum von Nahrungsmitteln ein Stück Natur in Kultur verwandelt und zudem noch großen sinnlichen Genuss bereitet!


Sexualitäten

DIE LIEBE, DAS ICH UND DIE VIELFALT DES BEGEHRENS

Kein Bereich unseres Lebens weckt so viele Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte wie die Sexualität. Die Gründe für das Bedürfnis nach Sex sind so individuell wie unterschiedlich. Es geht um Zuneigung und Liebe, Geborgenheit und Anerkennung, um den Wunsch nach Kindern – und natürlich geht es um Lust und Begehren.

Gleichzeitig wurde kaum etwas in den letzten zwei Jahrzehnten derart enttabuisiert wie die Sexualität. Ob Internet-Pornos, Online-Dating oder Sex-Toys aller Art – es sieht so aus, als wäre die Vielfalt des Begehrens heute leichter auszuleben denn je. Aber stimmt das eigentlich? 

Die Ausstellungsabteilung informiert über – fast – alles, was wir heute mit Sexualität in Verbindung bringen. Sie vermittelt elementares Wissen über den Körper und macht deutlich, wie sehr unsere sexuellen Vorstellungen und Vorlieben kulturell geprägt sind. Dabei ist die Ausstellung ein engagiertes Plädoyer für einen selbstbestimmten Umgang mit unterschiedlichen Formen von Sexualität. Die Menschen sollen frei sein, sich für monogame, homosexuelle, bisexuelle, heterosexuelle, polygame oder andere sexuelle Beziehungen zu entscheiden – oder auch für ein Leben ganz ohne Sex.

In fünf Kapiteln folgt die Ausstellung dem Weg vom „Kennenlernen“ über „das erste Mal“ bis hin zum „Zusammenleben“. Das interaktive und spielerische Modul „Let´s Talk About Sex“ richtet sich vor allem an die sexuelle Neugier junger Leute, während in „Lust und Begehren“ eine Kulturgeschichte der Leidenschaften ausgebreitet wird – von historischen Mitteln der Luststeigerung bis hin zu digitalen Formen des sexuellen Begehrens. Die interaktiven Forschungstische in diesem Ausstellungsbereich wurden von der Abteilung Bildung und Vermittlung mit Unterstützung durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung entwickelt.

Das abschließende Kapitel „Zusammenleben“ wirft einen Blick auf das verdrängte Thema sexualisierter Gewalt und zeigt außerdem, welche neuen familiären Konstellationen und Partnerschaften durch die Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin eröffnet werden. 

ERINNERN - DENKEN - LERNEN

Der Kosmos im Kopf - Das gehirn

 

Der nächste Raum widmet sich den Erkenntnissen der Hirnforschung, die sich in den letzten Jahren zu einer Schlüsseldisziplin der Natur- und Geisteswissenschaften entwickelt hat. Wie es dem Gehirn gelingt, aus 86 Milliarden Neuronen Bewusstsein zu schaffen, gibt aber  immer noch Rätsel auf. Die Neurowissenschaften können aber mit Hilfe bildgebender Verfahren faszinierende Einblicke in die Arbeit des Denkorgans liefern.

Zahlreiche interaktive Elemente erlauben es den Besucherinnen und Besuchern, ihre Gedächtnisleistungen und Aufmerksamkeitsfähigkeit zu testen - oder auch ihre Nervenstärke: Beim Mindball, einer Art Gehirn-Ballspiel, gewinnt der- oder diejenige, die sich als die Enspanntere erweist..

 

BEWEGUNG

Die Kunst der Koordination

Viele Bewegungen vollziehen sich ganz unabhängig von unserem Willen. Manche bleiben im Innern des Körpers verborgen, wie der Schlag des Herzens, der den Blutstrom aufrecht erhält, oder die Bewegungen unserer Verdauungsorgane. Andere wiederum sind äußerlich wahrnehmbar, wie das Heben und Senken des Brustkorbs beim Atmen oder das Schlagen der Augenlider. Bewegung dient aber auch der Kommunikation, und sie ermöglicht die Erfahrung eines positiven Körper- und Selbstgefühls.

In diesem weitläufigen Raum präsentiert eine Objektstrecke anatomische Exponate zum Bewegungsapparat, historische und moderne Hightec-Prothesen oder Body-Building-Gerätschaften der Jahrhunderwende. Daneben wird auf einer Balancierstrecke Ihr Gleichgewichtssinn auf die Probe gestellt. Und Ihre Rhythmusgefühl können Sie unter einer Haube testen, die Sie zu einem Tänzchen einlädt. 

SCHÖNHEIT, HAUT UND HAAR

Offene Grenzen Zwischen Körper und Umwelt

Auf kaum etwas anderes verwendet der Mensch soviel Aufmerksamkeit wie auf Haut und Haare. Die prunkvolle, kosmetikhistorische Sammlung Schwarzkopf mit ihrem hohen Schauwert wird im letzten Raum aktuellen naturwissenschaftlichen Erläuterungen gegenüber gestellt. Haut und Haar stellen eine offene Grenze dar, die zwischen Körper und Umwelt, zwischen Eigenem und Anderem, Innerem und Äußerem vermittelt. In diesem Dialog werden die Beziehungen zwischen den Wissenschaftsdisziplinen und den Körper-Kulturen deutlich, für die das Deutsche Hygiene-Museum als "Museum vom Menschen" programmatisch steht.